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Vom «fürsorgerischen Jahrhundertskandal in diesem Land» (WoZ) war unlängst wieder in der Tagespresse zu lesen. So schnell wie gewisse offizielle Stellen - bis hinauf zum Bundesrat - es möchten, lässt sich der Fall nicht vom Tisch wischen. Dass von Seiten des Bundes alles mögliche unternommen wurde und wird, die Folgen des für rund 700 Jenische verhängnisvollen «Hilfswerks für die Kinder der Landstrasse» der Pro Juventute zu vertuschen und verjähren zu lassen, ist dokumentiert. «Nach zwanzig Jahren, seit der 'Beobachter' - Kampagne 1972, sind wir noch nicht weiter», resümierte «Beobachter» - Redaktor Hans Caprez anlässlich der Premiere von Oliver M. Meyers Dokumentarfilm und stellte damit dessen Notwendigkeit und Wichtigkeit ausser Frage.
Das «Hilfswerk für die Kinder der Landstrasse» wurde 1926 auf einen laut Hilfswerk-Leiter Dr. Alfred Siegfried - hochamtlichen Brief aus dem Bundeshaus hin von der Pro Juventute gegründet. In der Folge wurden die Jenischen in der Schweiz bis 1972 mehr oder weniger systematisch «saniert» (Siegfried). Jenischen Familien wurden ihre Kinder weggenommen und in Pflegefamilien, Erziehungsheime oder sogar in Gefängnisse und psychiatrische Anstalten gesteckt.
Selbst vor Zwangssterilisation und Kastration schreckten die bis heute nie zur Rechenschaft gezogenen Verantwortlichen nicht zurück, um der «Zigeunerplage» (Siegfried) Herr zu werden. 1972 setzte eine Kampagne des Schweizerischen Beobachters dem ungeheuerlichen Treiben, das auch schon mit dem faschistischen Endlösungsversuch verglichen wurde, ein Ende. Seither kämpfen die Opfer des Hilfswerks - bisher vergeblich - um eine akzeptable Wiedergutmachung.
So skandalös die Fakten sind, Oliver M. Meyer hat es vermieden, seinen Film bloss von ihnen dahintragen zu lassen. Nach einem kurzen Abriss über die Geschichte der Jenischen in der Schweiz wendet er sich, zunächst unbelastet vom tragischen Schicksal, dem gegenwärtigen Alltag der Fahrenden in der Schweiz zu. Mit geduldiger Aufmerksamkeit begleitet Meyer sie bei ihrer Arbeit als Messerschleifer oder Möbelhändler, wirft einen Blick in ihre Wohnwagen und Mobil-Homes, deren Interieurs oft Kopien spiessbürgerlicher Wohnidylle sind, und lässt sie sinnieren über die Freiheit, das Leben am Rand der Gesellschaft und ihre Probleme damit.
Nach dieser unbeschwerten Annäherung wechselt der Film abrupt die Tonart und greift das Schicksal zweier Frauen auf, denen die Pro Juventute ihre rassenhygienische «Hilfe» zuteil werden liess. Ein verhängnisvolles Gutachten des ominösen Dr. Siegfried, das bezüglich der fahrenden Eltern von «belastendem Erbgut» spricht, führte die fünfjährige Maria mehr durch diverse Pflegefamilien, Mädchenheime und Erziehungsanstalten bis zur rechtswidrigen Internierung in eine Strafanstalt, wo die Minderjährige ohne richterliche Verfügung vier Jahre eingeschlossen war. Aus der Sicht einer Mutter, der drei Mädchen und zwei Buben weggenommen wurden, erzählt Theresa Häfeli. Mit seinem Film dokumentiert Oliver M. Meyer einen düsteren, die Sesshaften beschämenden Aspekt des Lebens von Schweizer Jenischen in diesem Jahrhundert, den offizielle Geschichtsbücher verschweigen. «Die letzten freien Menschen » ist ein engagiertes Plädoyer für die Anerkennung der Lebensweise einer Randgruppe, die man eigentlich - gemäss Meyer - wie die Rätoromanen als Minderheit akzeptieren müsste. Gleichzeitig erinnert der Film an die schrecklichen Folgen der nie erfolgten Anerkennung der Fahrenden, indem er sie im persönlichen Zeugnis Betroffener dokumentiert. Solange der Bund seine Verschleppungstaktik fortführt bleibt Meyers Film ein notwendiger Protestruf. Über die Aktualität hinaus wird er zudem eines Tages als historisches Dokument Notwendigkeit erhalten.

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